Auf Nachtschicht in der einzigen Backstube im Veedel

Auf Nachtschicht in der einzigen Backstube im Veedel

Wer macht eigentlich die Brötchen und Croissants auf meinem Frühstückstisch? Nachts um eins geht’s dafür rund in der Bäckerei Konditorei Newzella. Wir haben den Gesellen über die Schulter geschaut.

Aus dem Ofen strömt das buttrige Aroma von Croissants. Süße Aprikosenmarmelade blubbert auf der Kochplatte. Die Äpfel für den Strudel duften nach sonnigem Nachmittag. Brote und Brötchen liegen auf Gare, riechen säuerlich. Auch eine stechende Note mischt sich ein: Im Teig für das Zwiebelbrot landet ein Eimerchen gehackter Knollen.

Was die meisten Menschen zum Frühstück essen, damit verdient Marco Wenz seine Brötchen. Der 21-jährige Kölner ist Bäckergeselle. Ein Beruf, der immer weniger junge Menschen interessiert. Warum war das bei ihm anders? Er kommt aus dem Nachbarstadtteil, erzählt er knapp: „Da hab ich mich beworben. Und die wollten mich direkt.“

Nachwuchs gesucht

Die Bäckerei Konditorei Newzella bietet jedes Jahr mehrere Ausbildungsplätze an, für das Bäcker- handwerk und im Verkauf. Seit 1965 steht der Betrieb in Köln-Heimersdorf. Der Besitzer heißt eigentlich Magnus Newrzella, mit -r- in der Mitte. Gemeinsam mit seiner Frau Sabine bestimmt der Bäckermeister den Kurs des Betriebs. Ihre Devise: leckere Backwaren in Handarbeit mit besten Zutaten. So merkt jeder gleich, worauf es ankommt. Wie beim Firmennamen.

Jugendlichen die Herstellung von Brot, Brötchen und Co. schmackhaft machen, das will die Kampagne „Back dir deine Zukunft“ vom Verband der deutschen Handwerksbäcker. Via Videostory setzt sie auf authentische Einblicke. Sie lädt, untermalt von Heavy Metall, zur „Surfbread-Challenge“. Aber sie verschweigt auch nicht die körperlich anstrengenden Aufgaben oder die Arbeitszeiten am frühen Morgen. Marco Wenz hat das nicht abgehalten. Nach der Ausbildung hat er auch tagsüber gearbeitet. Bald kam er aber zurück in die Backstube, wo man mit den Kollegen Seite an Seite und Hand in Hand arbeitet. Auch weil die Kollegen in der Ausbildungszeit zu guten Freunden geworden sind.

Außerdem ist der Weg zur Arbeit kurz: Zu Fuß ist Marco Wenz in zehn Minuten in der Backstube der Bäckerei Newzella. Die steht im Einkaufszentrum von Köln-Heimersdorf. In der Ladenstraße aus den sechziger Jahren sind Produktion, Verkauf und Wohnungen für Angestellten im selben Gebäude untergebracht. Seit damals mittendrin: die Bäckerei von Magnus Newrzella. Hier gibt es keine Fertigmischungen. Jede Woche bestellt der Bäckermeister sechs Tonnen Mehl für die vier Silos im Keller. Eine automatische Anlage saugt es eine Etage höher in die Backstube.

Bäckergesellen brauchen Kraft

Alle anderen Rohstoffe – Butter, Zucker, Hefe, Ei – tragen Marco Wenz und seine Kolleginnen und Kollegen die Treppen hinauf. Gesprochen wird nur das Nötigste. Man ist ein Team von Schweigern, „hoffentlich nicht die Letzten unserer Sorte“, grinst Marco Wenz. Geschickt rangieren die Mitarbeiter hohe Wagen mit Backblechen auf engen Laufwegen. Alles geschieht leise. Obendrüber schlafen ja die Nachbarn. Denn gearbeitet wird ab ein Uhr morgens.

80 Zentimeter mal zwei Meter, an manchen Stellen knubbelig aufgeworfen: Was aussieht wie eine weiche Daunendecke, sind 160 Kilogramm Teig für Weizenmischbrot. Unter Leitung eines Backstubenleiters wirken zwei Gesellen den Teig auf der Buchenholzplatte. Sie formen mit jeder Hand gleichzeitig einen Brotlaib. „Lernt man schnell.“ Marco Wenz macht statt vieler Worte lieber viele Teilchen.

Denn seine Sache ist „dat Kuchengedöns“. Am Nachbartisch walkt und knetet er sechs Kilogramm Mürbeteig, mühelos. Unter dem T-Shirt mit dem Firmenlogo spannt sein tätowierter Bizeps. Den Ellbogen ziert ein Engelsflügel, den Unterarm der Kölner Dom. Langsam färbt ihm die Anstrengung die Haut rosig. Hinterm Dom geht die Sonne auf.

Vorliebe fürs Feine

Soviel Handarbeit will gut bezahlt sein. „Die Hälfte des Brötchenpreises sind heute Lohnkosten“, rechnet Verkaufsleiterin Sabine Newrzella vor. Wer Marco Wenz in der Backstube beobachtet, versteht, warum das so ist. Mit Fingerspitzengefühl entnimmt er Schicht um Schicht aus der Teigausrollmaschine. „Dat is so ne Pfriemelsarbeit!“ Liegt nicht jedem.

Starker Mann mit Vorliebe fürs Feine: Mit einer Vierpfund-Kelle schaufelt Marco Wenz Mehl in das Fach oben auf der Ausrollmaschine. Als er es dann von Hand auf die feinporige Oberfläche pudert, flattert der dunkelblaue Engelsflügel über die dünne Teigbahn. Die Apfelstrudel werden Kunstwerke. „Wenn ich die mache, sind die immer schön!“ sagt der stille Geselle stolz.

Text: Kathrin Reinert

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